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Der grüne Stock

Krystyna Damar

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Zwischen einem grünen Stock, der in Russland um 1833 vergraben wurde und einem ähnlichen, in Deutschland 2012 versteckten, wandert ein Eisbär hin und her, der schon viel früher 1759 in England erschien: Der weißeste von allen, geboren in der Fantasie als ein rhetorisches Spiel, als eine Grammatikübung.

Patyk
   
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Der Stock, aus dem Wald mitgebracht, die Rinde abgenommen, wartete monatelang in der Ecke hinter dem Vorhang bis du auf ihn den richtigen Zauberspruch schreibst, um den über deiner Zukunft liegenden Fluch abzuwenden. Dein Mund hat nicht gezittert, aber deine Ohren hörten den Fluch, und deine Augen trafen den Blick des Fluchenden.

In der Ecke stehen und nicht an den Eisbären denken! Nicht das Gleichgewicht verlieren beim Gehen entlang der Spalte zwischen den Fußbodenbrettern! Scheinbar einfach, aber nicht für den 5-jährigen Leo Tolstoi. Und die nächsten Anforderungen waren noch schwieriger. Die Ferien waren zu Ende und er konnte den grünen Stock nicht entdecken, der irgendwo in der Nähe der Schlucht vergraben wurde. Er konnte also die auf ihn geschriebenen Worte nicht lesen, die das Geheimnis des Glücks enthielten: Wie man sich vor Krankheit und Missverständnis schützt – und in gegenseitiger Liebe besteht…  

Den ganzen Sommer lang lag er im Koffer des Autos. Hier und dort in Polen, und hier und dort in Frankreich, wo man einen richtigen Platz erwarten könnte, jedes Mal war es zu steinig, um ihn zu vergraben. Bis endlich, zwischen Polen und Frankreich, an einem Sonntagsnachmittag, sich der Spaten leicht in die Erde vertiefte.


Laurence Sterne reißt sich die Perücke aus dem Kopf und ruft gestikulierend: „Du könntest doch im Notfall über einen Eisbären diskutieren!“
Leo Tolstoi versucht im Alter die in der Jugend verschönerten Erinnerungen zu säubern.
Paul Celan tritt ins Grüne Haus des Vergessens – voller Räume ohne Worte. Er singt Meldungen über das, was neben ihn geschieht. Hinter jedem Wort schleicht ein Schatten – von Gestern, von vor fünfzig, dreihundert, tausend Jahren …

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  Fotos © Sztaba/Damar 2008/2012
   

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